Zweyte Predigt, Die gerechten Regungen der innigen Freude Sachsenlandes bey dem gesegneten Anblick des so sehnlich erwünschten Friedens-Tages über die von hoher Hand ausgeschriebenen Textes-Worte aus Psalm 28,6-9, bey Gelegenheit der Friedens-Feyer den 21. Martii a.c. als dem Montag nach Judika
Art
Text
Gattung
Friedenspredigt
Sprache
Deutsch
Hersteller
Verfasser
Herstellungsort
Datierung
1763
Anlass (Allgemein, Typ)
Friedensfest
Predigttext
Ort der Predigt
Predigtort
Predigtstätte
Territorium des Predigtortes
Kurfürstentum Sachsen
Predigtdatum
21.03.1763
Lied vor der Predigt
Lied vor der Predigt
Es woll uns Gott gnädig sein
Nachweis I Lied
Kurztitel
EG 2005
Seite, Nummer
Nr. 280
Lied nach der Predigt
Lied nach der Predigt
Te deum laudamus
Nachweis I Lied
Kurztitel
EG 2005
Seite, Nummer
Nr. 191
Exzerpt

Die zweite Predigt des Bandes ist die Festpredigt im Hauptgottesdienst des Festtags.

Auf C 2r eine Fußnote, in der über Ereignisse des Krieges berichtet wird: Die Preußischen Truppen hätten schon 1756 bei Besetzung der Stadt die Kasse des Hospitals beschlagnahmt, diese aber zurückerstattet, als ihnen bekannt wurde, dass diese zur Unterhaltung der Stadtarmen diente. Ebenso wurde 1761 das Hospital bei einem Brand verschont, obwohl es in direkter Nachbarschaft des Brandherds lag.

Nach Verlesung des Predigttext Hinweis dazu, dass dieser auf Anordnung der Obrigkeit gepredigt werde: "Mit solchen Ermahnungen tritt heute unser, von seinen Erblanden bald an die sieben Jahre entfernt gewesener Landesvater, vor Gott hin und schämet sich nicht seine geschwächten, aber durch Gottes Gnade auch wieder gesträrkten Knie vor dem Könige aller Könige zu beugen. Mit solchen Gesinnungen des Dankes gegen Gott, der auch die Stimme seines Flehens gehört, und Ihm, seinem Gesalbten, geholfen, und gegen seine immer noch Geliebten, obgleich überaus übel zugerichteten Sachsen, tritt er heute vor Gott hin und spricht: Gelobt sey der HErr, der da ist ihre und auch meine Stärke: Hilf doch deinem Volk, segne dein Erbe, weide sie und erhöhe sie ewiglich. Sollten wir uns nicht alle beeyfern dem löblichen Exempel dieses unsers geliebtesten Augustus zu folgen? Würde es nicht eine ewige Schande von uns sein, wenn nur einer unter uns sich saumselig in dieser Beeyferung wollte finden lassen, wenn wir uns nicht alle mit diesem unserem Landes-Vater hoch erfreuen wollten? Ach freylich, Geliebte ..."

S. 39: Aufgabe  "zu lauter Regung der innersten Freude über diesen so gesegneten Anblick des so sehnlich erwünschten Friedenstages ermahnen", dazu zwei Dinge nötig: "die so herrlichen Segen des so sehnlich erwünschten, und nun erblickten Friedens-Tages zu Gemüthe führen und eben hierdurch uns den Weg zu Euren Herzen bahnen, in welchen wir heute so gar gerne recht feurige und inbrünstige Regungen der innigsten Freude erwecken möchten."

S. 42 "Ist denn aber dieser unser erblickter Friedens-Tag vor uns nicht ebenfalls ein so sehnlich erwünschter, als gesegnet eingebrochener Tag? Ich vermuthe nicht, dass Ihr daran zweifeln werdet, wenn ihr [43] nur denselben mit recht gottgelassenen Hertzen betrachtet und anseht. Ach es ist freylich wahr, und wir gestehen es euch gerne zu, Gott hat uns einen gantz andern Frieden geschencket, als mancher unter uns sich versprochen, und in der Vermessenheit seines Hertzens sich gantz gewiß versprochen hat. Er hat denen Kriegen in aller Welt und auch in unserm Lande freylich auf eine gantz andere Art gesteuert, als wohl mancher in seines Hertzens Sinn sich eingebildet hat. Gott ist freylich gantz andere Wege gegangen, als wir glaubten, und hier besonders hat er sich als denjenigen Gott offenbaret, der da heisset wunderbar und wundersam, ja ein verborgener Gott, der es dem Menschen zwar zuläßt, sich einen Ganz zu wählen, er aber schlägt dem ohngeachtet einen ganz anderen an, und dessen Gedancken von denen Gedancken seiner kurtzsichtigen Menschen-Kinder eben soweit als Himmel und Erde von einander unterschieden, und überhaupt sehr groß und ins Gantze gerichtet sind. Die, die uns aus heiligen und weisen Rath zu einer Zucht-Ruthen haben dienen müssen, verlassen nun zwar unser Vaterland und Gräntzen, aber, ob wie kläglich ist der Zustand desselben, in welchen sie es uns nun wieder überlassen! Wir, unsere Kinder und Kindes-Kinder werden es, so wir als Menschen dabey dencken wollten, ohne auf das zu sehen, was Gott etwan, nach der Kraft seiner Allmacht und seines Segens, thun und zu thun vorhaben kan, immer noch sehen, empfinden und fühlen, ohne daß wir es ihnen zu lange zu erzählen brauchen, welch eine harte Züch-[44]tigung uns biß anheror vom Herrn getroffen hat. O armes und verarmtes, und verwüstetes und zerstörtes Sachsenland, wie hat sich deine Gestalt und Schöne, da du einen Garten Gottes gleichtest, in sechs und einem halben Jahren verändert. Deine Städte, deine Tempel, deine Schulen, deine Dörfer, deine Waldungen, alles hiernächst, was sich in dir reget, hat ja völlig Ursache, den der vorüber gehet, gleichsam also anzureden: Schauet doch und sehet, ob irgend ein Schmetz sey, wie mein Schmertz, der mich troffen hat [Thren. 1,12] denn der Herr hat mich voll Jammers gemacht am Tage seines grimmigen Zorns. Wir brauchen also davon nichts weiter zu reden, wir dürfen, wir sollen, wir wollen auch davon nichts weiter sagen; sondern alles vielmehr gar gerne in eine ewige Vergessenheit in soferne vergraben, daß ja keine bittere Wurtzel des Hasses in unseren Hertzen gezeuget und genähret werde. Denn auch das ist vom Herrn geschehen, wer kan, wer darf es wagen ihn im Ernst zu fragen, so nicht sein Gewissen laut wider ihn zugleich zu zeugen, und zu reden anfangen soll: Herr, warum thust du also? Warum hast du also gethan deinem Volcke? Wie aber, meine Geliebten, bleibt denn dem ohngeachtet dieser Friedens-Tag nicht immer noch ein überaus gesegneter Tag? Ja, er bleibt es, Christen, und billig soll er als ein solcher von allen erkannt werden."

S.45: "O Geliebten Freunde! Lasset uns doch Gottes Gnade nicht vollends murrend verscherzen. Lasset es uns doch vielmehr gestehen, es bleibt immer noch Gnade, immer noch Segen genung, daß wir nur Friede haben, die Beschaffenheit desselben mag auch seyn, wie sie immer will. … O bedendeckt es doch nur recht, Geliebte, wie so gar betrübt, wir bejammernswürdig, nicht nur den gantzen verderbliche Krieg hindruch. die Umstände unseres Landes, und eines jeden Einwohners desselben, waren, sondern wie so gar erschrecklich es besonders zu der Zeit um unser gantzes Land, wie betrübt es hiernächst auch um die geheiligte Person unsers Gesalbten aussahe, da der Herr auf einmahl seine Friedens-Bothen zu uns schickte. Den gantzen Krieg hindurch hatten wir Ursache mit den flehentlichsten Klagen immer vor Gott hin zu treten: Herr! schweige doch nicht nur so, höre doch nur in etwas die Stimme meines Flehens, [46:] [Ps. 28, 1-3, zitiert] … Und so mußte würcklich auch unser allertheurester Landes-Vater seufzen. Aber ach! wie erbärmlich sahe es nicht, besonders bey dem Schlusse des vorigen und Anfange des jetzigen Jahres, aus! Wir und unser theuerster König, mit Seinem gesammten Königlichen und Chur-Printzlichen Hause, seufzeten laut. … Doch schwieg der Herr, und würcklich, nun war es ja augenscheinlich auf dem Punckt, daß, wo uns nicht und zwar schleunigst, geholfen würde, siehe, so war es nun um uns geschehen. Wir gleichten ja völlig einem in die Rappuse hingegebenen Volcke, mit dem man umgehen und machen konnte, was man nur wollte. Alle Hofnung auf erwünschte Aenderungen, wenn sie auch erfolgten, die mußte nun völlig verlöschen, so sie nicht schleunigst, und wie vom Himmel herab gerufen kam. Fast in allen Städten Sachsenlandes winselten die, die das Regiment in Händen haben, in ihren Gefängnissen, nebst einr ansehnlichen Anzahl von ihren angesehensten Unterthanen und Bürgern, und bebten mit allen übrigen [S. 47:] vor Furcht und vor Warten der Dinge, die da kommen sollten. Unser theuerster August schwebte hiernächst in den allergewissesten und dränglichsten Gefahren, sein vor uns so schätzbares Leben zu verlieren. Wir alle waren wie die Verscheuchten und wußten nicht wo wir uns hinwenden sollten. Wir waren wohl frey, aber wer sah nicht den gantzen Zusammenhang unserer Noth aus unsern schüchternen Blicken und allen Zügen unser gantz mit Traurigkeit und schwermüthigen Tiefsinn umnebelten Gesichts? Und siehe, auf einmahl, plötzlich erheiterte sich der Himmel über uns. Wir hören ein uns gantz ungewöhntes Gethöne. Wir heben unser Haupt empor. Unser schüchternes Ohr merckt auf, wir hören es noch einmahl, wir hören: es ist Friede! Unsere Füsse beben vor Freuden, doch lauffen wir dem Schall entgegen, wir sehen auf, und o was sehen und hören wir! Unsere Gefangene kommen uns mit thränenden Augen entgegen, unter tausend Schluchzen sagen sie uns, daß unsere Noth ein Ende hat, alle unerschwingliche Abgaben haben ein Ende, noch heute endigen sie sich. Wir sehen wieder auf, und siehe, schon eilen die verscheuchten Jünglinge, die bey Hunger und Kälte in Waldungen, in Einöden, in Wüsteneyen sich gantze Monathe hindurch verborgen hatten, schon eilen sie und hüpfen in die gegen sie jauchzendem und frohlockenden Hertzen ausgestreckten Aerme ihrer Väter und Mütter. Noch hieß es nur so: es wird Friede! kaum war nur Hofnung darzu da, so glaubten wir schon, es [S. 48:] wäre uns geholfen. Schon waren wir wie die Träumende. Schon fiengen wir wieder an zu leben. Jeder athmete frischen Muth. Alles erthönete schon von Lob- und Danck-Liedern. Unser Rathhaus, unser Tempel, unsere Schule, alle Gassen unserer Stadt, alle Häuser, alle Winckel in unsern Häusern. Unser theurester König ward wieder gesund. Dresden, seine Residenz, stellete ein Danck-Fest deswegen an. Endlich ward zu Hubertusburg im Meißnischen Kreisse bei Leipzig, am 15 Februar, o ein ewig denckwürdiger Tag! am Tage, da unsere gesegnete Fasten-Zeit angeht; endlich ward an demselben würcklich Friede geschlossen. Von Stund an fiengen unsere an uns zu verlassen, und nun sind sie meistens am Ort ihrer Bestimmung. Der uns vor kurtzen so fürchterliche Nachbar erheitertet sein Hertz und seine Stirne, er grüsset unser Chur-Printzliches Hauß, und lächelt Jhm und unserm Lande Glück zu. Sagt meine Freunde, war das nicht ein erwünschter und gesegneter Tag, ein Tag, da wir sagen konnten: ‚Der Herr hat die Stimme meines Flehens erhöret, er ist meine Stärcke und mein Schild, auf ihn hoffet mein Hertz, und mir ist geholfen.‘ So ist es, Andächtige, so müssen wir es gestehen, obgleich nicht alles so erfolget, wie wir es hätten wünschen können. Das ist wahrlich ein Tag, den uns der Herr gemacht hat, es sind seine Segen, die Segen der in diesen Tagen ehemahls übernommenen und ausgestandenen [S. 49:] Leyden Jesu Christi…

Es sind grosse, aber auch völlig unverdiente Segen; denn wahrlich! unsere Sünden haben bey zunehmender Noth nicht ab, sondern gar sehr zugeneommen. Wir hatten den völligen Untergang verdienet, wir wurden es auch nun inne, daß uns nicht mehr stärcken, oder ein Schild uns zu bedecken seyn konnte. …

[S. 50: in margine: II. Theil beschreibet die gerechten Regungen der innigsten Freude Sachsenlandes etc. Es sollen uns entstehen a) theils Regungen des Lobens, {S. 55:} und danckens,]

[S. 56] Ach weg, weg mit jenen noch so vernünftig scheinenden Reden und Urtheilen: Es ist freylich Friede, aber so wie ihn die Regeln der Staats-Klugheit denen Hohen nach dem ordentlichen Lauff der Dinge an die Hand gegeben haben: Es ist freylich Friede, aber was haben wir anders machen wollen? Halt ein, o murrendes Jsrael! O die Regeln der [S. 57:] Staats-Klugheit konnten wohl auch jetzo, wie es öftermahls geschicht, bey Seite gesetzet werden. Wir konnten freylich nichts machen, aber mit uns konnte noch viel Böses gemacht werden. Der Krieg konnte wohl noch länger dauern, alles war ja noch völlig gerüstet, alles war vor unsere gewesene Feinde im besten Lauffe, es mußte also gar nicht schlechterdings so kommen. Noch viel weniger aber brauchte es so schnell zu kommen, es war gar nicht wahrscheinlich, daß es so schnell von statten gehen könnte und würde. O der Herr ist es also, der Hier augenscheinlich ins Mittel getreten ist. … der ist es, der nach dieser gottlichen Kraft auch die Hertzen der Könige gelencket hat zu Gedancken des Friedes. Er, er ist unsere Stärcke in unserer Schwäche gewesen, er hat uns mächtiglich errettet und unsern Gesalbten, wie aus Seiner Kranckheit, also auch aus denen betrübten Umständen seines Landes geholfen.

 

[59:] Soll unser Danck-Opfer ihm gefallen, so müssen wir freylich aufhören unsern Gott mit unsern so überaus sündigen Leben zu schänden und zu lästern, und den grossen Nahmen Gottes bey denen, die draussen sind, stinckend zu machen; Wir müssen uns warlich loßzumachen suchen, theild durch ungeheuchelte Busse und ungefärbten Glauben, theils aber durch die Erneuerung und Besserung unseres Lebens in der Kraft Gottes des heiligen Geistes, von unsern Sünden. Allen, denen Erhabenen im Volcke sowohl als denen Niedrigen, denn einer bedarf dieser Weck-Stimme sowohl als der andere, allen ruffen wir also heute im Nahmen unsers Gottes zu: Machet euch loß, machet euch loß von euren Sünden, die ihr zur Zeit des Krieges so gar hochgetrieben habt. daß fast keine Scheu bey vielen mehr anzutreffen war, so daß ihr derselben gar kein Heel mehr hattet; von euren Sünden, die euch so gar lieb geworden sind, da ihr besonders euer zeitliches und leibliches Intresse, eigentlich zu reden aber den gewissesten Fluch an Leib und Seele, auf Zeit und Ewigkeit gefunden habt; von euren [60:] Sünden, die euch nun recht ankleben, die euch recht zur Gewohnheit geworden sind; o macht euch ja loß von denselben, sonst ist es umsonst, daß Ihr Danck opfert. … [in margine: b) theils Regungen recht brünstiger und patriotischer Wünsche.]

62:] O bedencket es doch, wie nöthig es ist, so wir anders guten Muths aufs Zukünftige Fassen sollen, daß Gott uns hilft, daß er uns zu segnen, zu weiden und zu erhöhen anfängt. Gottes Segen haben sich mitten bey allen Unruhen und Drangsalen geregt; Ware es nicht längst gantz und gar aus mit uns gewesen, so das nicht geschehen wäre? Alles hat man uns ertreissen können, nur diesen Segen nicht. Ach wie bald kann uns, die wir so sehr darnieder liegen, ob es gleich vor menschlichen Augen unmöglich zu sein scheinet, wie bald kan uns wieder aufgeholfen werden, so Gott uns seinem Volcke hilft, und uns zu heiligen und frommen Menschen macht! So seine Regungen nicht nur anhalten, sondern sich noch stärker über unser Land ergiessen, wie gut werden wir es [63:] haben, wenn wir von ihm den guten Hirten geweidet werden, wie bald werden wir uns aus unserm Staube erheben! Auf denn, laßt uns heilige Hände aufheben zu seinem heiligen Chor! … [folgt ein abschließendes Gebet mit mehreren Zitaten aus Paul-Gerhardt-Chorälen.]